"Koeppen im Herbst" - 2019

Aus dem Nachlass: Mechanische Schreibmaschine vom Typ OLIVETTI Studio 42, die von 1935 bis etwa 1952 in Italien produziert wurde.

© Wolfgang-Koeppen-Archiv Greifswald, Andrea Werner

Dr. Christian A. Bachmann, Katharina Krüger und Andrea Werner (von links)
Prof. Dr. Eckhard Schumacher und Dr. Christian A. Bachmann
Prof. Dr. Eckhard Schumacher, Dr. Christian A. Bachmann, Katharina Krüger und Andrea Werner (von links)

Wolfgang Koeppen: Tasso. Typoskript.


NDR Kultur: Das Archiv der aussterbenden Geräusche. Die Schreibmaschine.

© NDR Kultur

"Koeppen im Herbst" - 2018

 

Fotos: Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, Vincent Leifer

Prof. Dr. Eckhard Schumacher
Andrea Werner
Judith Schalansky
Katharina Krüger
Andrea Werner, Katharina Krüger, Prof. Dr. Eckhard Schumacher und Judith Schalansky (von links)

"Koeppen im Herbst" - 2017

 

 

 

 

Fotos: Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, Vincent Leifer

Writer´s Block - A Supercut

https://vimeo.com/165015837

Dr. Magnus Wieland, Schweizerisches Literaturarchiv in Bern
Dr. Magnus Wieland, Schweizerisches Literaturarchiv in Bern
Dr. Magnus Wieland im Gespräch mit Andrea Werner vom Wolfgang-Koeppen-Archiv
Philipp Nobis und Dustin Matthes, Master-Studierende der Universität Greifswald (von links)
Prof. Dr. Eckhard Schumacher, Dr. h.c. Raimund Fellinger, Dr. Magnus Wieland und Andrea Werner (von links)

Leihgaben aus Koeppens Nachlass in Zürich

Unter dem Titel „Schreibrausch – Faszination Inspiration“ wurden vom 10.02. bis zum 07.05.2017 im Literaturmuseum Strauhof in Zürich (Schweiz) Exponate namhafter Schriftsteller präsentiert, darunter auch vier originale Typoskripte und ein Notizbuch aus dem Nachlass des Schriftstellers Wolfgang Koeppen. Die Ausstellung unternimmt den Versuch, den Furor poeticus als Ausgangspunkt der künstlerischen Kreativität anschaulich zu machen.

Dabei werden durchaus unterschiedliche Phänomene in den Blick genommen: „Von der Schreibblockade bis zum ungehemmten Schreibfluss, von Drogenprotokollen bis zu minutiösen Arbeitsplänen, von Schreibexperimenten bis zur schieren Graphomanie – die Entstehung literarischer Texte ist vielseitig und oft aussergewöhnlich.“ (Flyer zur Ausstellung). Außergewöhnlich ist auch die komplizierte Entstehungsgeschichte von Koeppens Prosatext Jugend, der nach verschiedenen Schreibanfängen und Abbrüchen, die Jahre, sogar Jahrzehnte zurückreichen, endlich 1976 als schmaler Prosaband erscheint und letztlich Fragment geblieben ist.

In Vorbereitung der literarischen Ausstellung wurde Dr. Magnus Wieland, Mitarbeiter des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern, über die digitale „Textgenetische Edition“ von Wolfgang Koeppens Jugend auf die immerhin 1.500 Typoskriptseiten, die diesem Prosatext zugeordnet werden können, aufmerksam. Und so steht am Beginn der Ausstellung, die vor allem intensive Schreibphasen in den Blick nimmt, das Gegenbild der Schreibblockade, für die Koeppens mehrfach wiederholter Anfangssatz: „Meine Mutter fürchtete die Schlangen", geradezu paradigmatisch erscheint. Dieser Satz, dessen vielfache Wiederholung ebenso etwas Rauschhaftes hat, lässt Koeppen das eigene Schreiben immer wieder reflektieren. Als Auszug aus dem Typoskript MID-355-M018-001 erscheint er auch auf dem Plakat zur Ausstellung.

In nur einer Nacht schrieb Franz Kafka "Das Urteil" (1912) und führt damit die in der Ausstellung gezeigte Rangliste des rauschhaften Schreibens an. Anders als den späteren Text "Jugend" (1976) verfasste Koeppen den Roman "Tod in Rom" (1954) in nur wenigen Monaten, von Mitte Mai bis Ende August 1954.
"... Filter, Lupen, oszillierende Membranen, Schattenwürfe und Spiegelungen verändern die Wahrnehmung der Texte, je nach Standort sind sie lesbar, verzerrt, vergrössert, unscharf oder wandern als Reflexion über die Wände ..." (Reader zur Ausstellung)
© Fotos: Wolfgang-Koeppen-Archiv Greifswald, Andrea Werner

Marcel Reich-Ranicki: Anekdote zu einer Begegnung mit Wolfgang Koeppen

Zum Nachhören in der Ausstellung „Schreibrausch“

Als wir uns an jenem Abend verabschiedeten, gab er mir ein Exemplar seines Romans „Tod in Rom“. Das freute mich, doch wünschte ich mir [...] eine Widmung. Wolfgang Koeppen schien überrascht: Ja, gewiss, aber so schnell gehe das nicht, darüber müsse er erst nachdenken. Mit einem verlegenen Lächeln bat er um Verständnis: Er werde das Buch mitnehmen und es mir morgen mit einer Eintragung wiederbringen. 24 Stunden später überreichte mir Koeppen seinen Roman zum zweiten Mal. Doch ich wagte es nicht, den inzwischen von ihm verfassten Text in seiner Gegenwart zu lesen. Erst in meinem Hotelzimmer schlug ich, noch im Mantel, neugierig das Buch auf. Die Widmung lautete: „Für Herrn Marcel Reich-Ranicki in freundschaftlicher Zueignung.“ Unterschrift, Datum. Das war alles. Um diese Worte zu ersinnen, hatte Koeppen das Exemplar des Romans also für einen Tag nach Hause genommen. Über den Schriftsteller Detlev Spinell sagt Thomas Mann in seiner Novelle „Tristan“, dass dieser wunderliche Kauz, einen Brief schreibend, „jämmerlich langsam von der Stelle kam“. Und dann: „Wer ihn sah, der musste zu der Anschauung gelangen, dass ein Schriftsteller ein Mann ist, dem das Schreiben schwerer fällt als allen anderen Leuten.“  Als ich Koeppens konventionelle Widmungsformel las, die überdies noch fehlerhaft ist […], wurde mir ganz bewusst, welch sonderbarer und ungewöhnlicher Schriftsteller er war.

(Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben. Stuttgart 1999)


Vier Typoskripte und ein Notizbuch im Original aus dem Nachlass des Schriftstellers Wolfgang Koeppen standen am Anfang der, laut Presseurteil, „wunderbaren Ausstellung“  im Literaturmuseum Strauhof in Zürich. Die Digitalisate können in der „Textgenetischen Edition“ von Jugend (www.koeppen-jugend.de)  unter der Dokument-ID MID355-M015-001-001; MID 355-M001-064; MID 355-M009-006; MID 355-M012-035 und MID 355-M018-001 aufgerufen und im Textzusammenhang betrachtet werden.


Plakat zur Ausstellung in Zürich

Typoskript: WKA MID 355-M018-001

„... unzählige Male wiederholt er [Koeppen] ein und denselben Satz, der wohl nicht von ungefähr auch das Gefühl der Angst zum Ausdruck bringt: „Meine Mutter fürchtete die Schlangen."

(Andreas Schwab und Magnus Wieland: Einleitung. In: Reader zur Ausstellung)

Vorlage für das Plakat: Koeppens poetologische Reflexion zum Anfangssatz von "Jugend" (WKA MID 355-M018-001)

Detail der Ausstellung
Vitrine mit Koeppens Typoskripten