Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus (MRFH)

Digital Humanities-Projekt (DFG)

Prof. Dr. Tina Terrahe erarbeitet seit 2023 als Projektleiterin in Kooperation mit der Philipps-Universität Marburg eine aktualisierte Version des MRFH. Trotz verändertem Layout bleiben alle Inhalte und Funktionen erhalten.
Projektleitung bis 2022: Prof. Dr. Christa Bertelsmeier-Kierst (Marburg).

Das von der DFG von 2007 bis 2012 geförderte Projekt Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus (MRFH) ist Teil der Marburger Repertorien und steht damit in einer langen Forschungstradition, das Erbe der Geisteswissenschaften zu bewahren und gemäß aktuellen Wandlungsprozessen mit informations-technologischen Verfahrensweisen zu vernetzen ("Digital Humanities").

Vorgestellt werden im MRFH die frühhumanistischen Übersetzer und ihre deutschsprachigen Werke bis 1500. Erfasst werden damit nicht nur die Übersetzer der ersten Generation, sondern darüber hinaus auch Autoren der Übergangszeit, deren Wirkungsspektrum vor allem an der Universität, dem Heidelberger Hof sowie den Metropolen Straßburg, Basel, Augsburg und Nürnberg liegt.

Verzeichnet sind insgesamt 144 Werke aus der Zeit von 1450-1500. Stadtchronische Aufzeichnungen wurden nicht aufgenommen; sie sollen in einem späteren Projekt gesondert bearbeitet werden.

Breiten Raum nimmt im MRFH die Überlieferungsgeschichte der Übersetzungen ein, in der sich zugleich der Umbruch vom handschriftlichen zum gedruckten Buch widerspiegelt. Gerade frühhumanistische Autoren haben dem neuen Medium ‚Druck’ besondere Aufmerksamkeit geschenkt, z.T. waren sie selbst als Drucker oder Verleger tätig, um humanistische Schriften einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Insgesamt wurden im MRFH 122 Handschriften und 145 Inkunabeln (mit rund 2500 Exemplaren) näher untersucht und beschrieben. Die spätere gedruckte Überlieferung bis 1600 wurde nur in Kurzeinträgen (ohne Exemplarnachweise) verzeichnet. Ermittelt wurden 273 Drucke des 16. Jahrhunderts, vornehmlich auf der Basis von VD 16, Index Aureliensis und neueren Dissertationen. Digitalisate zu Handschriften und Drucken des 15. und 16. Jahrhunderts sind eingearbeitet und werden kontinuierlich aktualisiert. Detailliert erfasst werden zugleich die in den Übersetzungen genannten Widmungsadressaten sowie die zeitgenössischen Handschriften- und Inkunabelbesitzer und — soweit sie näher identifiziert werden konnten — die Schreiber der Handschriften. Von etwa 300 ermittelten Personen konnten 42 Schreiber (darunter 6 Autographen von Übersetzern), 32 Adressaten sowie 160 Besitzer identifiziert und in Kurz-Biographien vorgestellt werden. Darüber hinaus wurden die Dedikationen im genauen Wortlaut der Handschriften und Drucke wiedergegeben.

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Wort – Wirkung – Wunder. Sprache und Macht in der Vormoderne zwischen Religion, Magie und Medizin

Wissenschaftliches Netzwerk (DFG) 2024–2027

Projektleitung:

Prof. Dr. Tina Terrahe (Greifswald: Germanistische Mediävistik) terrahetuni-greifswaldde (Antragstellerin)

PD Dr. Katja Triplett (Marburg/Leipzig: Religionswissenschaft / Japanologie) katja.triplettuni-leipzigde (Mitverantwortliche)

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Wortmagische Wirkprinzipien – von den ersten Zeugnissen bis in die Frühe Neuzeit

Dem Wort, ob geschrieben oder gesprochen, wird in religiösen, magischen und medizinischen Traditionen ein großes Maß an Macht zugeschrieben: Man versucht mit Worten zu heilen und zu zaubern, mit Sprache werden Götter verehrt und mit Schrift Macht ausgeübt. Viele kulturelle Systeme haben den Anspruch, mit Worten und Schriftzeichen die Realität zu verändern und in den Weltzusammenhang einzugreifen.
Das interdisziplinäre wissenschaftliche Netzwerk fragt nach den kulturellen Paradigmen, die den wortmagischen Vorstellungen vormoderner Gesellschaften im Hinblick auf die Macht von Sprache und Schrift zugrunde liegen, und zwar an den Schnittstellen von Religion, Medizin und Magie. Untersucht werden soll, wie die übernatürliche Wirkung von Worten, Sprache und Schrift den Quellen zufolge zustande kommt und welche Wirkprinzipien sich als universal oder einzigartig ausmachen lassen.
Zeitlich erstreckt sich das Untersuchungsfeld von den ersten Zeugnissen bis in die Frühe Neuzeit, wobei die Anknüpfung an aktuelle Diskurse und moderne Problemstellungen als zentrales Aufgabenfeld gesehen wird. Denn manche wortmagische Wirkprinzipien werden seit Jahrtausenden in identischer Weise praktiziert und haben ihre Faszinationskraft bis heute nicht verloren, wie aus der gegenwärtigen Rezeption in Kunst und Kultur ersichtlich ist. Den Ambitionen, sich übernatürlicher Kräfte, Macht oder Weisheit zu bedienen und Wunder zu erwirken, mögen gesamtanthropologische Konstanten zugrunde liegen, deren Identifikation ein Ziel der Analysen wäre, wie etwa die Frage nach der Zukunft, die Sicherung von Gesundheit und materiellen Gütern sowie die Sehnsucht nach Liebe und die Angst vor dem Tod.

Interdisziplinäre Arbeit an schrifttragenden Artefakten

Ausgehend von einem mediävistischen Schwerpunkt im Bereich der Altgermanistik soll das Netzwerk zahlreiche historisch arbeitende Fächer aus verwandten Disziplinen integrieren. Der geplante Forschungsdiskurs speist sich aus dem intensiven Austausch mit der Geschichtswissenschaft und der Religionswissenschaft, mit Altorientalistik, Ägyptologie, Islamwissenschaft, Judaistik und christlicher Liturgiewissenschaft sowie Altphilologie (Gräzistik/Latinistik) und Medizingeschichte, um Synergieeffekte zu erzielen und neue theoretische Zugänge zu schaffen. Methodisch streben wir eine materialbasierte Forschung an, wobei neben Texten auch schrifttragende Artefakte und sonstige frühe Quellen als Untersuchungsmaterial anvisiert werden.
Im interdisziplinären Dialog sollen gemeinsame Fragen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und Impulse für die Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Methoden sowie zur Vernetzung von kleinen Fächern gegeben werden. Mithilfe des fachlich und zeitlich breit angelegten Zugriffs können gesamtanthropologische Konstanten eruiert werden: Welche Schwierigkeiten haben die Menschen schon früh mithilfe von Worten, Sprache und Schrift zu lösen versucht? Wie stellt man sich die erhoffte Wirkung vor? Wo liegen Gemeinsamkeiten und Differenzen wortmagischer Potenz im Bereich diverser religiöser, magischer und medizinischer Traditionen?
Die unter diesem Fokus erarbeiteten Analysen sollen auch im Hinblick auf moderne Diskurse Fragen reflektieren, die die Menschheit seit Anbeginn interessiert haben – seit der Mensch begann, sich durch Sprache und deren schriftliche Notation von anderen Lebewesen zu unterscheiden und Macht über sie auszuüben zu wollen.


Arbeitsformate und Ergebnissicherung


In einer dreijährigen Laufzeit sind sechs thematisch strukturierte Arbeitstreffen geplant, bei denen (Open Access-) Publikationen von gemeinsam diskutierten Einzelstudien erarbeitet werden, deren systematischer Zusammenhang durch die komparatistisch angelegten Arbeitsphasen gewährleistet ist. Neben den 20 konstanten Mitgliedern werden Gäste eingeladen, um das Arbeitsprogramm des Netzwerkes zu bereichern, das sich auch als ein Instrument der Nachwuchsförderung versteht. Ein erstes Planungstreffen fand am 4. und 7. März 2022 online statt.


Berufsrisiko Tod: Narrative Konzepte des (Über- und) Ablebens in der höfischen Epik um 1200. Marburg 2019.

Habilitationsschrift

Die Studie untersucht die dem mittelalterlichen Heldenethos geschuldeten Toten und ihre Funktion im narrativen Gefüge der Texte: Anhand der zentralen höfischen Epen um 1200 wird nach gattungsspezifischen Heldenkonzepten und deren Verhältnis zum Tod gefragt. Das ‚Rolandslied‘ des Pfaffen Konrad etwa inszeniert das heilige Sterben der christlichen Kreuzritter, wohingegen im ‚Eneasroman‘ Heinrichs von Veldeke die Qualitäten eines guten Feldherrn betont werden, der das Leben seiner Untertanen schont. Hartmanns Artusromane ‚Erec‘ und ‚Iwein‘ diskutieren friedliche Strategien der Konfliktlösung, um tödliche Zweikämpfe zu vermeiden und in Wolframs ‚Parzival‘ sterben Ritter reihenweise im zu spät belohnten Minnedienst.
Neben prominenten literarischen Toten werden hier erstmals auch vermeintlich unwichtige Nebenfiguren systematisch analysiert, die in der bisherigen Forschung nicht besonders beachtet, sondern eher überlesen wurden. Ihnen widmet sich das Projekt und will zeigen, dass neben den Überlebenden auch die unzähligen poetischen Todesfälle, die prominenten wie die unprominenten, wesentlich für die Konzeption und Wirkung der Texte sind. Die Toten müssen dabei stets in Relation zu den Überlebenden gesehen werden, die mithin für die Tode verantwortlich zeichnen, weil sie sie entweder nicht verhindert oder leichtfertig riskiert haben. So behandelt die kulturwissenschaftlich ausgerichtete Studie historisch-narratologische und philologische Fragestellungen zu den Interferenzbereichen der Geschichts-, Rechts-, Kulturwissenschaften und der Germanistik.


(Kopie 6)

Heinrich Steinhöwels >Apollonius<. Edition und Studien. (Frühe Neuzeit 179) Berlin 2013.

Dissertationsschrift

Die Geschichte um Apollonius von Tyrus gilt als Lieblingsbuch des deutschen Mittelalters. Die bisher unedierte Apollonius-Bearbeitung des Ulmer Frühhumanisten Heinrich Steinhöwel wird in einer kritischen lateinisch-deutschen Paralleledition nebst Studien zu Überlieferung und Textgenese präsentiert. Die besondere Nähe der Leithandschrift zum personellen Umfeld des Autors, die zudem den ältesten Sprachstand repräsentiert, macht den Textzeugen zur Ausgangsbasis einer Edition, die im Apparat mit den Abweichungen zur Fassung des prominenten Augsburger Buchdruckers Günther Zainer (1471) die Überarbeitung für den überregionalen Buchmarkt dokumentiert. Auf diese Weise können tiefgreifende Rückschlüsse auf Literaturproduktion und -betrieb an der Schwelle von der Handschrift zum Buchdruck gezogen werden.
Der Forschungsteil situiert Autor und Werk im sozialhistorischen Umfeld, für das eine beachtliche Quellenlage zu verzeichnen ist. Aus dem engen persönlichen Netzwerk zwischen Übersetzer, Schreiber und Handschriften- sowie Inkunabelbesitzern lässt sich ein spezifisches Publikumsinteresse an einem Text ablesen, dem im Sinne der zeitgenössischen Kreuzzugsambitionen nach dem Fall von Konstantinopel (1453) eine politische Virulenz zugesprochen werden kann.
Insofern schließt sich ein Kreis zwischen dem Ulmer Autor, der Augsburger Überarbeitung für den Buchdruck, einem überregionalen Publikumsinteresse und den Besitzern der Textzeugen, und eröffnet eine weitgespannte Perspektive auf den politischen und kulturhistorischen Kontext volkssprachiger Literatur in Zeiten des Medienumbruchs.

 


Humanistische Antikenübersetzung und frühneuzeitliche Poetik (1450-1620)

Wissenschaftliches Netzwerk (DFG)

Das DFG-Netzwerk (2011-2016) untersuchte deutsche Übersetzungen antiker Texte, die im 15. und 16. Jahrhundert entstanden sind und für die Ausdifferenzierung der deutschen Literatursprache von Bedeutung waren.

Projektbeschreibung:
In der beginnenden Frühen Neuzeit zeichnet sich unter dem Einfluss der humanistischen Bildungsbewegung im Verhältnis zur antiken Literatur ein grundlegender Umbruch im Vergleich zur mittelalterlichen Antikenrezeption ab: Die Schriften der Autoren des klassischen Altertums werden zum Teil wiederentdeckt, ediert und kommentiert; seit etwa 1450 werden im deutschen Sprachraum zahlreiche Übersetzungen angefertigt. In der intensiven Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen und stilistischen Vorbild der antiken Werke ergeben sich in der Volkssprache vielfältige Veränderungen in der Literatur und im Selbstverständnis der Autoren und Übersetzer. Auf diese Weise wird der programmatisch an die Antike anknüpfende Neuansatz der frühneuzeitlichen Poetik durch Martin Opitz und Nachfolger in einigen Punkten vorbereitet, von diesen aber – anders als die französischen und niederländischen Vorbilder – nicht gewürdigt. Das Netzwerk möchte die sprachlichen, narratologischen und gattungsspezifischen Akzentuierungen der volkssprachlichen Übertragungen des 15. und 16. Jahrhunderts, deren literaturgeschichtliche Bedeutung in der Forschung bisher unterschätzt wurde, untersuchen und dabei besonders den Zusammenhang zwischen den Antikenübersetzungen und der frühneuzeitlichen Poetik herausarbeiten. Ziel ist es, den Beitrag der Übersetzungen für die Ausdifferenzierung der deutschen Literatursprache und Literatur in der Frühen Neuzeit zu bestimmen. Die Ergebnisse sollen in einem Sammelband publiziert werden.

Publikation:
Humanistische Antikenübersetzung und frühneuzeitliche Poetik in Deutschland (1450–1620). Hg. von Regina Toepfer, Klaus Kipf und Jörg Robert. Berlin, Boston 2017 (Frühe Neuzeit 211).