Interdisziplinärer Workshop, Universität Greifswald
Pommersches Landesmuseum Greifswald
Organisation:
Alexandra Heimes, Falk Quenstedt,
Tina Terrahe und Alexander Waszynski
Der Schiffbruch ist mehr als ein nautisches Unglück – er fungiert als paradigmatische
Metapher und Erzählfigur für Krisen, Umbrüche und Neuorientierungen. Der interdisziplinäre
Workshop untersucht epochenübergreifend Deutungsmuster, Schreibweisen und kulturelle
Symboliken des Schiffbruchs, mit besonderem Fokus auf die durch ihn ausgelösten
Transformationen: Welche existenziellen, sozialen, historischen oder ökologischen Folgen
ziehen Schiffbrüche nach sich? Welche Schäden werden verursacht; wie und mit welchen
Mitteln werden diese dargestellt und bearbeitet; welche moralischen, sozialen und
wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten entstehen dabei?
Im Zentrum des Workshops stehen somit die strukturellen Funktionen des Schiffbruchs als
Form der Peripetie sowie seine anthropologischen, literarischen und philosophischen
Implikationen: Wie wird der Schiffbruch als einschneidendes Ereignis erzählt und wie
relationiert er dabei ein Vorher und Nachher zueinander? Welche unterschiedlichen Formen
der Bewältigung – wie Versuche der heroischen Rettung, der technologische Kontrolle und
Risikominimierung oder des Sich-Fügens – werden entworfen und diskutiert. Welche
Darstellungsformen und Schreibweisen sind für Schiffbruch-Narrative charakteristisch und in
welchen generischen und diskursiven Traditionen stehen diese?
Im Schiffbruch wurde und wird eine grundlegende Reflexionsfigur menschlicher Existenz und
menschlichen Handelns gesehen. Eine Besonderheit dieser Metaphorik liegt in ihrer engen
Verflechtung mit wissens- und technikgeschichtlichen Aspekten. Der Figur wurde im Hinblick
auf die Verhandlung menschlicher Transgressivität eine historische Spezifik zugeschrieben,
die von einer antiken Hybris-Kritik ausgeht und eine zunehmende Selbstermächtigung in der
Frühen Neuzeit konstatiert, den Schiffbruch also mit einer (westlichen)
Modernisierungserzählung verknüpft. Das wirft Fragen nach den blinden Flecken dieses
Narrativs auf: Welche Traditionszusammenhänge, Gattungen, Darstellungsweisen und
Reflexionsformen wurden dabei tendenziell ausgeblendet? Wo lassen sich Brüche und
Spannungen einer solchen Geschichte zunehmender Rationalisierung, etwa in der
Adressierung von Kontingenz und Vorsorge, ausmachen?
Der interdisziplinäre Workshop wird von Greifswalder Literaturwissenschaftler*innen in
Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Baltic Peripeties“ sowie den Universitäten Rostock
und weiteren Partner*innen organisiert. Beiträge aus Literatur- und Geschichtswissenschaft,
Philosophie und Skandinavistik sollen gattungstheoretische Fragen, geschichtliche
Verantwortungszuschreibungen sowie epistemologische und medienhistorische Aspekte des
Schiffbruchs als Umbruch reflektieren.