Glitches stören als zufällige oder bewusst induzierte Fehler die Ordnungen von Welten, ohne sie vollends zu blockieren. Beispiele sind in Computerspielen, in Automatisierungsprozessen oder bei Decodierungs- und Übersetzungsvorgängen zwischen verschiedenen medialen Formaten zu finden. Der Begriff des Glitch eignet sich aus diesem Grund auf besondere Weise dazu, die Durchlässigkeiten und Überlagerungen anzuzeigen, die den (post-)digitalen Alltag bestimmen. Es gehört zu den zentralen medialen Konstellationen unserer Gegenwart, dass nach der Digitalisierung Unterscheidungen zwischen real life und virtual reality, analog und digital oder online und offline an Trennschärfe verloren haben. So prägen Glitches nicht nur die Ästhetik von Computerspielen und postdigitaler Kunst (vgl. Menkman 2011, Kane 2019, Russell 2020), sondern auch die Literatur der Gegenwart. In erzählerischen Texten wie Miami Punk (Juan S. Guse, 2018), Flexen in Miami (Joshua Groß, 2020) oder „Für bestimmte Welten kämpfen und gegen andere“ (Lisa Krusche, 2020) stören Glitches das Erzählen und suspendieren Vereindeutigungen. Sie rücken textuelle Verfahren und konkrete Materialitäten in den Blick und lassen auf diese Weise die Konstruktionsprinzipien der Texte thematisch werden. Als Figur der Störung produziert der Glitch Irritationen und poetisiert eine Ordnung gespenstischer Zeit- und Raumstrukturen, die sich überlagern und gegenseitig heimsuchen. Das lässt nicht zuletzt Anschlüsse an Überlegungen zum Konzept einer Hauntology zu, die Ambiguitäten als Gleichzeitigkeit verschiedener Virtualitäten verhandelt. Mit Blick auf diese und weitere Zusammenhänge, die die Literaturwissenschaft mit Ansätzen der Game Studies, der Gender Studies und der Medientheorie verbinden, fragt das Panel, inwiefern Glitches – oder eine „Poesie des Glitches“ (Clemens J. Setz) – als Störung von ‚eindeutiger‘ Textproduktion und als Verfahren der Erzeugung von Mehrdeutigkeit fungieren können.
Das Panel setzt sich zusammen aus einer Einleitung der Organisatoren (15 Minuten), vier Impulsvorträgen (jeweils 20 Min. inkl. Nachfragen) sowie einer abschließenden Diskussion (25 Min., Gesamtlänge 120 Minuten). Es ist dem Themenbereich 2: Phänomenorientierte Zugänge zugeordnet. Im Rahmen der Vorüberlegungen sind verschiedene Fokussetzungen bzw. Fragestellungen für Beiträge vorstellbar:
- Wie werden Glitches in literarischen Texten verhandelt? Welche Position nehmen sie auf Ebene der histoire ein und welche Phänomene der Ambiguitätsproduktion werden in diesem Kontext eventuell thematisch?
- Wie gestaltet sich die Integration ‚glitchhafter‘ Momente formal bzw. erzählerisch? Lässt sich überhaupt sinnvoll von ‚literarischen Glitches‘ sprechen? Wären Glitches in der Literatur auf lektüreerschwerende Formexperimente beschränkt oder lassen sie sich auch in dominant realistisch verfahrenden Texten auffinden?
- Welche neuen Text- und Veröffentlichungsformen lassen sich aus welchen Gründen mit Glitches in Verbindung bringen? Konfrontieren uns die Textproduktionen von Künstlichen Intelligenzen oder Social-Media-Bots mit der Störung eindeutiger Bedeutungsproduktion?
- Wie lässt sich das Verhältnis von Glitch und Virtualität im Rahmen von literatur- und medientheoretischen Konzepten sinnvoll greifbar machen? Welche Einsichten der Computerspielforschung (Consalvo 2007, Krapp 2011) oder der feministischen Theoretisierung des Begriffs (Russell 2020) können dafür produktiv gemacht werden?
Vorschläge für Impulsvorträge werden erbeten in Form eines Abstracts (maximal 350 Wörter) ergänzt um ein Kurz-CV des:der Bewerber:in (maximal 200 Wörter) und sind bis zum 15. Juli 2021 als ein PDF-Dokument per E-Mail an die Panel-Organisatoren zu richten.
Kontakt: eckhard.schumacheruni-greifswaldde / philipp.ohnesorgeuni-greifswaldde