Dr. Florian Schmid
Arbeitsbereich: Ältere deutsche Sprache und Literatur
Arbeitstitel: Quellen – Erzählen – Wissen. Literarische Werke als ‚Quellen‘ und Formen der historisch-narrativen Wissensvermittlung in der Chronistik des 14.-16. Jahrhunderts
Sowohl unter historischen als auch unter systematischen Aspekten ist es besonders aufschlussreich, geschichtliche Phasen zu erforschen, die durch vielfältige und tiefgreifende Prozesse des Wandels gekennzeichnet sind. Im 16. Jahrhundert beginnt sich eine veränderte Auffassung von Geschichtsschreibung zu etablieren, die sich an dem Einsatz unterschiedlicher Schreibstrategien erkennen lässt. In mittelalterlicher Tradition stehende Verfahren wie eine weltchronistische Einbindung, etymologische Argumente und eine Angabe von Autoritäten werden verstärkt durch Überzeugungsstrategien wie der Historisierung, Kontextualisierung und Perspektivierung theologischer sowie philologisch-kritischer Argumente abgelöst. Hinzu kommt, dass sich eine Trennung von ‚Historia‘ und Fiktion auszuprägen beginnt. Zugleich ist zu beobachten, dass weiterhin – aus neuzeitlicher Perspektive – auch fiktionale Werke als Quellen für Chroniken verwendet werden, denen damit der Status wissensvermittelnder Texte zugewiesen wird. Im Rahmen des Projekts interessiert die historiographische Außensicht auf unterschiedliche antike und mittelalterliche Genres wie Inschriften, Heldensage und Heldenepen, Romane, Lieder und Reimreden als ‚Quellen‘ und Formen historisch-narrativer Wissensvermittlung in der Chronistik des 14.-16. Jahrhunderts, ihre Funktionalisierung, ihre gestalterische Präsentation (la mise en page bzw. Layout), ihr ästhetischer Eigen- und Mehrwert und ihre Semantisierung als zu bewahrendes, ‚kulturelles Erbe‘. Im Kontext der Forschungsdiskussion um das Verhältnis und Verständnis von Literatur und Wissen sowie von historischem und fiktionalem Erzählen wird in diesem Projekt daher nach narrativen Prinzipien, Argumentationsstrategien und Umgangsweisen mit literarischen Werken als Quellen der Chronistik gefragt: Inwiefern lassen sich Problematisierungen, Hybridisierungen und Historisierungen „fiktionaler“ Werke beobachten, inwiefern Prozesse der Assimilation und Transformation? Inwiefern kommt es zu einer Synthese von gelehrtem und ungelehrtem Wissen? Inwiefern lässt sich ein inhaltlicher, formaler, funktionaler und/oder ästhetischer Mehrwert des „Literarischen“ bestimmen?