„Von hier sah der Maler die Stadt.“ – Wolfgang Koeppen und Caspar David Friedrich

Ausstellung des Wolfgang-Koeppen-Archivs 2024

Die Zeichnungen und Gemälde von Caspar David Friedrich gehören zum kulturellen Gedächtnis der Stadt. Wolfgang Koeppen, geboren 1906 in Greifswald, nimmt in seinen literarischen Texten dezidiert Bezug auf Friedrich. Die Erinnerung an Friedrich und seine Heimatstadt Greifswald ist für Koeppen oft verbunden mit der Ansicht des Hafens. Die Ausstellung geht diesen und weiteren Bezügen zwischen den beiden Kunstschaffenden nach und präsentiert damit im Rahmen der Koeppentage 2024 einen neuen Blick auf Koeppens Werk und seine Erinnerung an Friedrich sowie Greifswald.

Koeppentage 2024 – Hafenrundgang und Podiumsdiskussion

Neben der Vernissage und Ausstellung im Münchner Zimmer des Koeppenhauses fanden am 20. Juni 2024 im Rahmen der Koeppentage noch zwei weitere Veranstaltungen statt, die sich allesamt dem Thema "Hafen von Greifswald" widmeten.

Gemeinsam mit der Wolfgang-Koeppen-Gesellschaft veranstaltete das Koeppen Archiv einen literarisch-künstlerischen Hafenrundgang mit der Schriftstellerin Judith Schalansky und Thilo Kaiser vom Stadtbauamt Greifswald. Dabei wurden unter anderem Texte von Koeppen und Schalansky gelesen und es wurde versucht, Caspar David Friedrichs Blick auf den Hafen von Greifswald nachzuspüren. Zudem erzählte Thilo Kaiser wie sich der Hafen über die Jahrhunderte und insbesondere in den letzten Jahrzehnten entwickelte. Die Moderation übernahm Prof. Dr. Philipp Dreesen von der Wolfgang-Koeppen-Gesellschaft.

An den Hafenrundgang und die anschließende Vernissage knüpfte eine Abendveranstaltung mit Podiumsdiskussion und Lesung, ebenfalls mit Judith Schalansky und Thilo Kaiser, an. Auch hier spielten der Bezug von Koeppen zu Caspar David Friedrich, zu Greifswald und insbesondere zum Hafen der Stadt eine wichtige Rolle. Außerdem präsentierten Studierende der Universität Greifswald, die im Rahmen einer Ausschreibung prämiert wurden, ihre Bilder zum Thema "Hafen von Greifswald". Die Moderation übernahm Eckhard Schumacher, Professor für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie und Leiter des Wolfgang-Koeppen-Archivs.

Die im Rahmen von 250 Jahre Caspar David Friedrich durchgeführten Veranstaltungen wurden gefördert von der Stadt Greifswald und der Beauftragten der Bundesregierung für Kunst und Medien.

Ausstellung 2024
Oben und unten Bildbände zu Caspar David Friedrich aus Koeppens Nachlass und in der Mitte die Suhrkamp-Ausgabe von "Jugend" von 1996 mit einem Gemälde Friedrichs auf dem Schutzumschlag.
Ausstellung 2024
Postkarten von Greifwald und der junge Koeppen mit seiner Mutter Marie, aus dem Nachlass.
Hafenrundgang
Abendveranstaltung

Literarisch-künstlerischer Hafenrundgang und anschließende Podiumsdiskussion und Lesung mit Judith Schalansky und Thilo Kaiser zum Thema "Hafen von Greifswald".

© Fotos: Tim Senkbeil


„Der Schriftsteller hat Fragen zu stellen und das Problem seiner Zeit zu zeigen."

Ausstellung im "Münchner Zimmer" vom 20.06.2023 bis Mai 2024

Die drei in rascher Folge Anfang der 1950er Jahre veröffentlichten Romane Wolfgang Koeppens, die die Mentalitäten der jungen Bundesrepublik zeigen, lösten zum Teil heftige Reaktionen und Kritik aus. In einem unveröffentlichten Vortrag, der auf diese Kritik reagieren sollte, formuliert Koeppen: „Über dies meine ich […], dass es nicht Aufgabe des Schriftstellers sei, Antworten zu geben und Probleme zu lösen. Der Schriftsteller hat Fragen zu stellen und das Problem seiner Zeit zu zeigen.“

Die Ausstellung präsentiert die Publikations- und Rezeptionsgeschichte von Koeppens Der Tod in Rom (1954) und nimmt dabei besonders die Dekadenz-Debatte in den Blick, die im Anschluss an die Publikation des Textes 1956 in der DDR entstand.

Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Gegenüberstellung mit Artefakten und Zitaten der aktuellen Debatte um den Roman Tauben im Gras (1951). Nachdem der Text in Baden-Württemberg Pflichtlektüre für das Abitur an beruflichen Gymnasien wurde, organisierte sich Widerstand gegen den Text und dessen Verwendung rassistischer Sprechweisen.

Podiumsdikussion im Anschluss an die Vernissage

Die Podiumsdiskussion nahm ihren Ausgangspunkt bei der Ausstellung und der Gegenüberstellung zweier unterschiedlicher und doch vergleichbarer Debatten um Koeppens Romane. Im Anschluss wurden Fragen diskutiert, die sich aus der aktuellen Debatte um Koeppens 1951 veröffentlichten Roman Tauben im Gras ergeben haben. Wie umgehen mit Rassismen in der Sprache, mit verletzenden Sprechweisen in Literatur und der Behandlung im schulischen Kontext? Wenn Koeppen mit seinen Texten „das Problem seiner Zeit“ zeigen wollte, welchen Platz haben diese Darstellungen dann noch in unserer Gegenwart?

Diesen Fragen widmeten sich: Eckhard Schumacher, Professor für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie und Leiter des Wolfgang-Koeppen-Archivs, Anette Sosna, Professorin für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur und Jada Ladu, AStA-Referent für Internationales und Antirassismus. Die Moderation übernahm Tim Senkbeil.

Auf Koeppens Schreibtisch: das Leseexemplar von "Der Tod in Rom", eine von Koeppens Schreibmaschinen und zwei Briefe an seinen Verleger Henry Goverts.
Links die 1954 publizierte Erstausgabe von Koeppens "Der Tod in Rom". Rechts die von außen fast identische Lizenzausgabe, die 1956 in der DDR erschien.
Im Schrank: weitere DDR-Ausgaben von Koeppens Romanen.

© Fotos: Tim Senkbeil, Henriette Held


„Es ist wie in einer Zuchthauszelle ...“ – Das Stuttgarter Bunkerhotel als Schreibort

Ausstellung im "Münchner Zimmer" vom 23.06.2019 bis Mai 2021

„Ich sitze jetzt unter dem Marktplatz von Stuttgart im Rathausbunker“, schreibt Wolfgang Koeppen am 24. April 1953 an seine Frau Marion. „Der Raum ist wie eine Gefängniszelle gross und Tag und Nacht ohne Licht und mit künstlicher technischer Belüftung.“ In nur drei Monaten verfasst Koeppen den Bonn-Roman Das Treibhaus (1953), der im Kanon der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur einen festen Platz einnimmt. „Oben in Stuttgart ist es schwül. Hier herrscht eine Grabesluft“, bemerkt er in seinem Brief und lässt diese Atmosphäre auch in das Geschehen des Romans einsickern.

Die Ausstellung beleuchtet verschiedene Seiten des unterirdischen Schreibortes: Das Bunkerhotel wird nicht nur zum Rückzugsort für Koeppen, der gerne an anderen Orten schreibt, es ist zugleich  Erinnerungsort und Gegenort zum geschäftigen Leben oben. Später wird Koeppen sagen: „Das Bunker-Hotel in Stuttgart war übrigens keine schlechte Klausur“.

Aus einem Brief an Marion vom 21. Mai 1953 (WKA Sig. 25586)
Aus einem Brief an Marion vom 23. Mai 1953 (WKA Sig. 25604)
Visualisierung der Maße des Hotelzimmers im Stuttgarter Bunkerhotel (2,05 m x 2,90 m) © Foto: Jan Burwitz

© Fotos: Andrea Werner


„... es ereignet sich ja immer etwas ..." – Die Familie Köppen um 1900

Ausstellung im "Münchner Zimmer" vom 23.06.2018 bis 30.05.2019

Allein 10.000 Bücher, aber auch unzählige Zeitschriften und Briefe, die zum Nachlass des Schrift-stellers Wolfgang Koeppen (1906 bis 1996) gehören, belegen eine Sammelleidenschaft, die vor allem dem bedruckten oder beschriebenen Papier gilt. Sie lässt Koeppen scheinbar ebenso von den Schulheften der Mutter, den Briefen und Karten der Familie bis zu den Anschreiben des Vormundschaftsgerichts alles bewahren. Zu den besonderen Schätzen zählen die Sammelalben, angefüllt mit Ansichtskarten aus aller Welt oder besonderen Motivpostkarten.

Mit Charme berichten die über einhundert Jahre alten Artefakte von persönlichen Ereignissen der Familie Köppen und veranschaulichen zugleich eine Zeit, in der Papier ein wichtiges Medium war und sich Zeitgenossen über eine grassierende Sammelwut beklagten. Die Ausstellung scheint eine Bemerkung Marcel Reich-Ranickis zu bestätigen, der im Gespräch mit Wolfgang Koeppen und mit Blick auf dessen Familiengeschichten 1985 konstatiert: „… was immer passiert, es wird zu einem Roman oder einem Drama in Ihren Augen“.

Eine Besucherin der Ausstellung übt sich im "Schönschreiben" mit der Feder so wie Maria Köppen 1890 in einem der Schulhefte.
Aus dem Nachlass Marie Köppens (1877 bis 1925): Tanzkarte von 1899 offenbar mit einem Eintrag von Reinhold Halben (geb. 1877).
© Fotos: Jan Burwitz

„... gefangen im Auge der Kamera ..."

Ausstellung im "Münchner Zimmer" vom 23. Juni 2017 bis zum 25. Mai 2018

Auf offiziellen Bildern präsentiert sich Wolfgang Koeppen zumeist als ernsthafter Schriftsteller, am Schreibtisch sitzend oder vor einer Unmenge an Büchern, immer umgeben von der Aura des Belesenen. Diese Stilisierung entsprach durchaus den Erwartungen seiner Leser.  Die Ausstellung des Wolfgang-Koeppen-Archivs zeigt im „Münchner Zimmer“ hingegen private Aufnahmen aus dem Nachlass des Schriftstellers, deren Faszination gerade von ihrer Unvollkommenheit ausgeht.

 

In gelöster Atmosphäre lässt sich Koeppen mitunter in launigen Momenten ablichten oder nimmt sich als Fotograf selbst in den Blick. Zuweilen fällt dieser durchs Objektiv auf sein unerlässliches Handwerkzeug, die Schreibmaschine. Mit fotografischen Inszenierungen um 1900, aber auch Aufnahmen aus verschiedenen Dekaden des 20. Jahrhunderts sowie einer analogen Diashow erinnert die Ausstellung zugleich an Entwicklungen in der Geschichte der Fotografie.

Wolfgang Koeppen in München Ende der 1970er Jahre. Diavorlage aus dem Nachlass WKA.
Ausstellungseröffnung durch Prof. Dr. Eckhard Schumacher und Andrea Werner

"In Greifswald wurde ich geboren, das lässt sich nicht leugnen..."

Ausstellung im "Münchner Zimmer" vom 21. Juni 2016 bis Mai 2017

    

„Es hat Dichter gegeben, die sich angeregt fühlten durch eine schöne Landschaft, durch ein Gebirge, durch die See, und die da Wunderbares geschrieben haben“, erklärt der Schriftsteller Wolfgang Koeppen in einem Gespräch. Doch „es konnte auch sein, daß man sich in einer bestimmten Stadt unwohl fühlte […], aber dieses Unwohlsein, diese Schwierigkeiten, die die Stadt und das Leben in ihr mit sich brachten, regten immer wieder zur Produktion an“.

 

Nicht von ungefähr scheint es, als spreche Koeppen vom eigenen Erleben. Über seine Geburtsstadt wird er später schreiben: „Ich glaube, ich wollte schon im Mutterleib nicht in Greifswald sein.“ Dennoch kehrt er immer wieder hierher zurück – allerdings sind es zunächst literarische Streifzüge, auch wenn diese pommersche Provinzstadt für ihn „von Natur her ein bescheidener und kleinerer Fundort“ ist. Im Jahr 1976 erscheint unter dem Titel Jugend ein besonderer Prosatext, der zugleich das besondere Verhältnis des Autors zu seinem ersten Lebensort widerspiegelt.

 

Die Ausstellung im "Münchner Zimmer" lotet nicht nur dieses Verhältnis aus, sie skizziert zudem die Entstehungsgeschichte von Jugend und unternimmt den Versuch, die literarischen Erinnerungen an ein Leben in Greifswald Anfang des 20. Jahrhunderts anhand persönlicher Dokumente aus dem Nachlass des Autors anschaulich zu machen. 1985 ist Koeppen nach mehr als einem halben Jahrhundert wieder in Greifswald, doch die Stadt, die er sucht, findet er nicht mehr.

© Fotos: Jan Burwitz, Andrea Werner

Bisherige Ausstellungen

2023 „Der Schriftsteller hat Fragen zu stellen und das Problem seiner Zeit zu zeigen." – Wolfgang Koeppen und Caspar David Friedrich

2019 „Es ist wie in einer Zuchthauszelle ..." – Das Stuttgarter Bunkerhotel als Schreibort

2018 „... es ereignet sich ja immer etwas ..." – Die Familie Köppen um 1900

2017 „... gefangen im Auge der Kamera ..." – Wolfgang Koeppens private Fotografien

2016 „In Greifswald wurde ich geboren, das lässt sich nicht leugnen"

2015 „Der geborene Leser, für den ich mich halte…“ – Wolfgang Koeppens Lektüren.

2014 Verzettelt, verschoben, verworfen. – Wolfgang Koeppens Schreibkrisen.

2013 Reiseandenken. Koeppens unbeschriebene Ansichtskarten.

2013 „ich habe keine Heimat“ – Heimat(-losigkeit) bei Wolfgang Koeppen.

2013 Emanuel Voß. Ein Leben für das Greifswalder Theater.

2012 „Auf vielen Schreibmaschinen wird das alte Garn weitergesponnen.“

2011 Treibhausatmosphäre
im "Münchner Zimmer“.

2010 Wolfgang Koeppens Amerikafahrt.