Ausschreibung Fotoserie "Hafen von Greifswald"

Die Wolfgang Koeppen Gesellschaft schreibt in Verbindung mit dem Wolfgang-Koeppen-Archiv drei Aufträge für künstlerische Fotoserien zum Thema "Hafen von Greifswald" aus.

Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren

Teilnehmen können Studierende der Universität Greifswald.

Bewerben Sie sich mit einem Konzept zur geplanten Fotoserie (max. 1 Seite) als PDF-Datei. Zusätzlich sind Arbeitsproben (z.B. in Form von Verlinkungen) von eigenen Fotoarbeiten erwünscht.

Schicken Sie diese Bewerbung bis zum 15.5.2024 an koeppen-gesellschaftgmxde.

Die Auftragserteilung und -bestätigung für die Anfertigung der Fotoserie erfolgen zeitnah per E-Mail.

Einreichung der beauftragten Fotoserien in digitaler Form bis zum 14.6.2024.

Der Auftrag wird im Fall einer erfolgreichen Bewerbung unmittelbar erteilt. Die eingereichten Fotoserien werden je mit einer Pauschale in Höhe von EUR 500 vergütet. 


Hintergrundinformationen zur Abendveranstaltung “Hafen von Greifswald” am 20.6.2024

Die Abendveranstaltung widmet sich dem Gestern, Heute und Morgen des Hafens. Wie hat sich der Hafen von Greifswald verändert? Auf den Hafen gibt es viele Perspektiven: Künstlerische, literarische, fotografische, stadtgeschichtliche und stadtplanerische. Judith Schalansky liest aus ihrem Text „Hafen von Greifswald“ sowie aus Texten Koeppens und wird im Anschluss mit weiteren Gästen und dem Publikum ins Gespräch über die Entwicklung des Hafens kommen. Das Podium moderieren wird Eckhard Schumacher.

Die Fotoserien werden erstmals einem Publikum im Rahmen der Abendveranstaltung am 20. Juni 2024 gezeigt. Sie werden per Beamerprojektion mit kurzer Vorstellung durch die Fotograf:innen präsentiert. Sie bilden Bezugspunkte zwischen Lesung und Diskussion. Eine Präsentation der Fotoserien darüber hinaus ist fest geplant.

Informationen zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Hafen von Greifswald“

Der innenstädtische Greifswalder Hafen hat im Verlauf der Stadtgeschichte verschiedene Transformationen erfahren. Caspar David Friedrichs Gemälde, die den Hafen von Greifswald im 19. Jahrhundert zeigen, gehören zum kulturellen Gedächtnis der Stadt. Der Autor Wolfgang Koeppen, geboren 1906 in Greifswald, und die Autorin Judith Schalansky, geboren 1980, ebenfalls in Greifswald, perspektiveren in ihren literarischen Texten des 20. und 21. Jahrhunderts den Greifswalder Hafen und nehmen dabei dezidiert Bezug auf Capar David Friedrich. Koeppen verweist in einem 1975 veröffentlichten Interview auf seine erste Begegnung mit Friedrichs Gemälden in der Hamburger Kunsthalle und hebt dabei besonders das Gemälde vom Greifswalder Hafen hervor. Eben jenes 1931 im Münchner Glaspalast verbrannte Gemälde, dem Judith Schalansky ihren 2020 veröffentlichten Text widmet. Wie sieht eine künstlerisch-fotografische Auseinandersetzung mit dem Hafen von Greifswald 2024 aus?

Sind die Zugänge von CDF, Koeppen und Schalansky Ausgangspunkte für eine aktuelle künstlerisch-fotografische Auseinandersetzung mit dem Hafen von Greifswald? Oder liegen andere Zugänge näher? Und was kennzeichnet eigentlich heute den Hafen von Greifswald?


„(…) Blitz und Donner drohten der Stadt, zogen gegen die berühmte Silhouette des romantischen Malers, da waren die spielenden Fohlen auf der Weide, die einsamen Männer, die traurig den Mond betrachten, die im Hafen ruhenden schlafenden Boote mit ihren Masten zu Afrikas Küsten in Knabenträumen, die Türme und Dächer von St. Nikolai, St. Jakobi und St. Marie drückten schwer die Gemeinde, glichen, aus rotem Backstein gegen den nie erreichten Himmel gebaut, Festungen tollkühner Planung, vergreist in Wüste, Wildnis und Sumpf (…)“

Wolfgang Koeppen: Jugend, Frankfurt am Main 1976, S. 11f.

 

„Zum Hafen führt es abwärts, ich hoffe, ich fürchte, es geht in die Welt, fort von der Hunnenstraße, geradenwegs zu den Chinesen, die sind gelb und tragen lange schwarze Zöpfe, mein Kaiser straft sie, meinem Kaiser gehören die Schiffe im Hafen, der Sommerdampfer nach Wiek, der Sonntagsdampfer nach Rügen, die schweren Kähne mit den Kohlen, den Zuckerrüben, den Kartoffeln, dem Korn, die Herings- und die Flunderboote mit ihren rostbraunen Segeln, der schnelle Aviso, ein Panther gegen die Heiden, die meergraue nebelgraue feindgraue sieggraue Torpedobootpatrouille, Regen kommt oft, Wasser stürzt aus den Traufen, Ströme rinnen zur See, Unrat schifft stolz hinab.“

Wolfgang Koeppen: Jugend, Frankfurt am Main 1976, S. 20f.

 

„Ich schrieb, meine Mutter fürchtete die Schlangen. Sie sah sie im brackigen Grund, wenn wir am Meer entlang zum alten Gut gingen. Gras krankte in salziger Lauge. Das Rad der Saline stand still. Aus der Abdeckerei faulte Verwesung. Ich haßte die Stadt hinter den Wiesen, die berühmte Silhouette, die der Maler gemalt hatte. Ich sah sie von Ottern gefressen. Aber wird man mich verstehen?“

Wolfgang Koeppen: Jugend, Frankfurt am Main 1976, S. 142f.

 

„Es war plötzlich eine Landschaft von unerhörter, nie geahnter Großzügigkeit, Vielfalt und Weite, die vor dem Hintergrund der alten Stadt sich ausbreitete. Sie war deutsch und war romantisch, und in der friedlichen Ruhe des Abends und verklärt von dem Schein des Regenbogens nach dem weitergezogenen Gewitter war sie doch erfüllt von allen Möglichkeiten der Leidenschaft, des Abenteuers und des Dramas. Eine Ahnung, die bestätigt wurde von den Pferden, die dem Fluß zu weideten und in kurzen Wendungen unruhig trabten. Dem jungen Caspar David Friedrich, der dann das Bild „Pferde vor Greifswald“ malte (das ein Begriff der Kunstgeschichte wurde), war das Gesicht einer noch gänzlich unbesungenen Natur aufgegangen.“

Wolfgang Koeppen: "Neuenkirchen". In: Ders.: Gesammelte Werke Bd.5: Berichte und Skizzen II, Frankfurt am Main: 1990 (Suhrkamp Taschenbuch 1774), S. 96f, hier S. 97.

 

„Auf angelegten Wegen spaziere ich hinunter, an dem alten Klinikgebäude vorbei, in dem ich geboren wurde. Hinter der Brücke der Stralsunder Straße weitet sich der Fluss, und mündet in ein trapezförmiges Becken, etwa siebzig, achtzig Meter breit und einige hundert Meter lang - den Hafen von Greifswald. Am nördlichen, befestigten Ufer liegen zwei Restaurantschiffe, am südlichen einige Segelschiffe mit hohen Masten. Dahinter werfen die Plattenbauten lange Schatten.

Ich setze mich ans südliche Ufer. Auf der anderen Seite reihen sich niedrige Gebäude und hölzerne Schuppen, Bootsbauer und ein Ruderverein, in dem ich als Jugendliche einen Frühling lang trainierte. Irgendwo dahinter, im Rosental zwischen Ryck und Baberow, müssen die Salzquellen gelegen haben, die - zusammen mit dem Fluss - der Grund waren, warum hier Wald gerodet und auf sumpfigem Grund ein Marktflecken gegründet wurde. Im brackigen Wasser treibt eine tote Brasse. Schrill rufen die tief über dem gewellten Wasser hin und her schießenden Mauersegler. Drei Rauchschwalben sitzen auf der Reling eines Schoners. Ihre fuchsroten Kehlen leuchten in der Abendsonne.“

Judith Schalansky: "Hafen von Greifswald". In: Dies.: Verzeichnis einiger Verluste, Berlin 2020 (Suhrkamp Taschenbuch 5078), S. 173-188, hier S. 188.

Caspar David Friedrich: "Hafen von Greifswald", um 1810, Öl auf Leinwand, ehem. Kunsthalle Hamburg, 06. Juni 1931 verbrannt im Glaspalast München